Elektrotherapie

Die klassischen Elektrotherapieverfahren

Die Elektrotherapie hat sich als Therapieform zur Behandlung von Inkontinenz bewährt und kann sowohl bei Belastungsinkontinenz/Stressinkontinenz als auch bei Drang- oder Mischinkontinenz eingesetzt werden. Verwendet werden entweder Vaginal- oder Analelektroden, die in Scheide oder After eingeführt werden, oder Oberflächenelektroden, die auf die Haut aufgebracht werden.

Bei schwacher Beckenbodenmuskulatur kann Elektrostimulation eine empfehlenswerte Unterstützung der Krankengymnastik darstellen. Die Muskelanspannungen, die durch die elektrischen Impulse hervorgerufen werden, machen die Lage des Beckenbodens für die Patientin spürbar und tragen zur Kräftigung bei. Bei entsprechender Indikation wird die Elektrotherapie (z. B. durch Miete der Geräte) von den Krankenkassen übernommen.

In den folgenden Fällen sollte Elektrostimulation zur Behandlung von Inkontinenz nicht eingesetzt werden:

  • Schwangerschaft, 
  • Menstruation, Zwischenblutung, 
  • Entzündungen (Kolpitis), 
  • Harnwegsinfektionen, 
  • Uterus myomatosus mit Wachstumstendenz, 
  • Harnretention, 
  • Schwere Herzrhythmusstörungen, 
  • Kein Einsatz hochfrequenter Ströme bei Patienten mit Herzschrittmacher. 

Es gibt drei Stromformen, die in der Elektrotherapie Anwendung finden. Niederfrequente Ströme im Bereich von 80–100 Hz (1 Herzt = 1 Impuls pro Sekunde) werden bei sensorischer Dranginkontinenz, Urethralsyndrom, Reizblase, idiopathischer (motorischer) Dranginkontinenz und Stressinkontinenz eingesetzt (Anm.: Mittelfrequente oder modulierte mittelfrequente Ströme [s.u.] werden oft als angenehmer empfunden und besser toleriert. Sie finden bei Stress- und Dranginkontinenz Anwendung, vor allem auch bei älteren Patientinnen und Patienten). Hochfrequente Ströme (Kurz- und Mikrowelle) werden bei einer zu hohen Muskelspannung zur Entspannung und Durchblutungsförderung eingesetzt.

Bei der klassischen elektrotherapeutischen Behandlung der Dranginkontinenz werden Impulse mit einer Frequenz von 5 oder 10 Hz verwendet. Diese sollen Nervenfasern des Nervus pudendus reizen und auf diese Weise das Gleichgewicht zwischen hemmenden und aktivierenden Einflüssen wiederherstellen.

Bei der Behandlung von Stressinkontinenz liegt bei der klassischen Behandlungsform der Schwerpunkt vor allem in einer Aktivitätszunahme der Ausdauerfasern („Slow Twitch Fibres“). Auf diese Weise werden die Nervenversorgung des Beckenbodens und damit seine Verschlussfunktion verbessert.

 

Elektrotherapie mittels Ganzkörper-EMS

EEMA (Externe Elektrische Muskuläre Aktivierung)

Die EEMA ist Teil der EMS, arbeitet aber – im Gegensatz zu herkömmlichen EMS-Geräten – mit modulierten mittelfrequenten Impulsen. Während niederfrequente EMS-Impulse die motorischen Nerven reizen, die den Muskeln das Signal zur Anspannung oder Entspannung geben, erlaubt es die Modulation der Mittelfrequenz, Muskelzellen zu aktivieren, ohne die Nerven zu reizen. Auch die Zellaktivierung sowie eine Tiefen- und Volumenwirkung sind eher Domänen der mittelfrequenten Elektrotherapie EEMA.

 

Die EEMA arbeitet meist mit einer Trägerwelle von 2 kHz, also 2.000 Impulse pro Sekunde. Diese Trägerwelle kann, je nach Bedarf, mit einer Myo- oder Neuromodulation versehen werden.

Myomodulation: Muskelkontraktionen werden bei der EEMA direkt in der Muskelzelle ausgelöst. Die elektrischen Impulse setzen dabei am Sarkolemm an, einer bindegewebigen Hüllschicht um die Muskelzelle. Da das Sarkolemm Signale langsamer überträgt als der motorische Nerv, wird hier für die optimale Stimulation mit einer Schwellmodulation gearbeitet.

 

Neuromodulation: Bei der Neuromodulation werden niederfrequente Impulse auf die mittelfrequente Trägerwelle aufmoduliert. Auf diese Weise können beispielsweise auch tiefliegende motorische Nerven angesprochen werden. Diese Form der Reizung wird zudem von vielen Patienten als verträglich und angenehm empfunden.

Modulierte Mittelfrequenzimpulse, wie sie in der EEMA verwendet werden, können auch tiefsitzende motorische Nerven erreichen oder direkt Muskeln zur Kontraktion anregen. Auf diese Weise können mehr Muskeln erreicht werden als beim herkömmlichen EMS-Training, auch im Bereich des Beckenbodens.

 

Durch die Aktivierung aller durchströmten Zellen und Gewebearten genügen bei der EEMA nur wenige Elektrodenpaare, um große Bereiche zu durchströmen. So können beispielsweise zwei Oberarmelektroden ausreichen, um den gesamten Oberkörper zu durchströmen und die Muskeln zur Anspannung zu bringen. Die durchströmten Zellen werden außerdem in einen Zustand versetzt, der demjenigen kurz vor der Zellteilung ähnelt. Durch den so erhöhten Zellstoffwechsel können Nährstoffe besser aufgenommen und Abfallprodukte schneller abtransportiert werden.

 

Zentren, die Ganzkörper-EMS zur Behandlung von Beckenboden- und Inkontinenzbeschwerden durchführen, finden Sie hier

 

Sakrale Nervenstimulation (SNS)

Die sakrale Nervenstimulation (SNS) ist eine Sonderform der elektrotherapeutischen Behandlung von Inkontinenz, da hier mit einem implantierten Stimulator gearbeitet wird. Sie wird vor allem bei Patienten mit einem gestörten Empfinden des Enddarms eingesetzt, bei denen der Schließmuskel aber noch intakt ist. Das Stimulationsgerät stimuliert kontinuierlich (die ganze Zeit) den Beckenboden, die Patientin oder der Patient beeinflusst mit einer Fernbedienung lediglich die Stärke. Durch die stetige Stimulation können die Empfindlichkeit des Enddarms sowie die Funktion des Schließmuskels verbessert werden.

 

Folgende Erkrankungen können mit der sakralen Nervenstimulation (SNS) behandelt werden:

  • überaktive Blase
  • schlaffe Blase
  • chronische Beckenschmerzen
  • Stuhlinkontinenz
  • Verstopfung

Die sakrale Nervenstimulation (SNS) sollte erst eingesetzt werden, wenn die folgenden nichtoperativen Behandlungsmethoden – je nach Erkrankung – keinen Erfolg hatten:

  • Medikamente
  • diätetische Maßnahmen
  • Beckenbodentraining
  • Toilettentraining
  • Biofeedback
  • Darmspülung
  • externe Elektrostimulation

Elektrotherapie mittels Vaginalsonden / Analsonden

Elektrotherapie mittels Klebeelektroden